Kollegiale Fallbesprechung | Gruppensupervision | Intervision

Kollegiale Fallberatung findet normalerweise in berufsfeldähnlichen bzw. -gleichen Gruppen statt – unter Kollegen eben. Es gibt keine hierarchische Struktur, für das Gruppentreffen übernehmen jedoch Gruppenmitglieder unterschiedliche Rollen (Fallgeber, Leitung, u.U. Visualisierer und Zeitwächter). Eine optimale Gruppengröße liegt bei 7 +/- 2 Teilnehmenden.

Die Teilnahme ist freiwillig und die vertrauensvolle Zusammenarbeit wird durch die Selbstverpflichtung zur Vertraulichkeit gewährleistet. Dadurch wird Offenheit und eine Haltung der Wertschätzung möglich.

Die Kollegiale Fallberatung dient zur gegenseitigen Unterstützung bei beruflichen Fragen durch die Erweiterung der eigenen Handlungsmöglichkeiten. Es geht also um das„was soll ich tun, damit ich gut arbeite“. Dadurch entwickleln sich die Kompetenzen und die Professionalität aller Beteiligten. Der Fallgeber soll sein Anliegen klären, „lösen“ können – die Problemlösung ist nicht die Aufgabe der Gruppe. Die Gruppe stellt dem Fallgeber vielmehr eine Außensicht zur Verfügung.

Die Kollegiale Fallberatung folgt einer klaren Struktur, die nicht immer wieder diskutiert werden muss. Das entlastet und weist der persönlichen Kreativität den Platz zu, wo sie wirklich gebraucht wird: bei der Suche nach Lösungen!. Die starke Reglementierung des Ablaufs ist die Stärke dieses Beratungsformats. 

Sinnvoll kann eine Sanduhr sein, die die Zeiten visualisiert. Das Sitzen im Stuhlkreis ist günstig.

Kollegiale Beratung im Überblick

Die Struktur der Kollegialen Fallberatung

Verständigung und Commitment

  • über die zur Verfügung stehende Zeit (und Pausen!) und über die bei diesem Treffen zu besprechenden Fallanliegen. Evtl. Rückblick auf letzte Sitzung: Wie ist es geworden? 
  • Sammlung aller Anliegen: in zwei Sätzen werden die Fälle überblicksartig vorgestellt. Entscheidungskriterien: Dringlichkeit, emotionale Belastung, Gruppendynamik, Interesse aller Gruppenteilnehmer/innen.Die Entscheidung, welche Fälle im Treffen bearbeitet werden, trifft die Gruppe gemeinsam.
  • Rollenverteilung und -übernahme: Leiter/in, Fallgeber/in, Schriftführer/Visualisierer, Zeitwächter/in 

Die wesentliche Aufgabe der Leiterin ist es, auf die strikte Einhaltung der Ablaufstruktur zu achten. 

Fallbericht (10 min)

Die Fallgeberin beschreibt, ohne : von anderen unterbrochen zu werden, die Situation zu der sie beraten werden möchte. Sie nennt alle Informationen, die ihr wichtig und notwendig erscheinen: Wer war beteiligt, um was geht es, wie habe ich selbst gehandelt… 

Die an dieser Situation beteiligten Personen und „Themen“ (z.B. eine Regel, die gebrochen wurde oder bestimmte Aufgaben) werden durch den Leiter (oder den Schriftführer) auf Moderationskarten visualisiert. 

Die Gruppenmitglieder hören sorgfältig zu und achten besonders auf die Selbstkundgabe (vgl. Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun) in dem, was der Fallgeber sagt: Was bedeutet all das was der Fallgeber erzählt für ihn selbst? Welche Emotionen werden in ihm lebendig? Wie erlebt er die Situation? 

Die Daten, Fakten und das Verhalten anderer Personen spielen eine nachgeordnete Rolle.

Die Zuhörenden achten auf eigene Resonanz: Was denke ich, wenn ich das höre, welche Gefühle werden in mir wach, welche Bedürfnisse lebendig? Notizen können zur Entlastung helfen, den ausgesprochen werden diese Resonanzen während des Fallberichts noch nicht!

BeratungsAnliegen klären – Auftrag an die Gruppe: Eine Frage!

Der Fallgeber benennt explizit, auf welchen Aspekt die Gruppe den Fokus richten soll, für welche Frage eine Lösung gefunden werden soll.

Die Leitung hat die Aufgabe, das konkrete Anliegen zu erforschen: „Was muss hier und heute passieren, dass Du sagst, die Arbeit hat mir geholfen, jetzt geht es mir besser, ich weiß jetzt besser, was ich tun kann? Welche Frage hat sich dann bei Dir geklärt? Wobei bist du genau voran gekommen, was hast Du mit unserer Hilfe erreicht?“

Erste Eindrücke (kurz und konzentriert – 5 min) 

Erste Eindrücke (Gedanken, Gefühle) zum Bericht dienen dem Fallgeber als Spiegel: „Als ich Dir zugehört habe, bin ich ganz … geworden. Da habe ich mich gefragt… Vor meinem Inneren Auge entstand dieses Bild…“

Hilfreiche Impulse können hierfür sein:

  • Wenn ich Dir zuhöre, spüre ich…
  • Wenn ich Dir zuhöre, dann entsteht in mir ein Bild..
  • Wenn ich Dir zuhöre, dann entsteht dann denke ich mir so spontan…

Die Regel hier ist: Keine Wertungen („das ist bestimmt so oder so“), keine Lösungen („da musst du dieses und jenes machen“), keinen eigenen Fall eröffnen („das kenn ich auch“).

Darauf zu achten, ist die Aufgabe des Leiters.

Nachfragen zum besseren Verständnis

Die Nachfragen durch die Gruppenteilnehmer/innen zum Fallbericht ergänzen fehlende Informationen. Der Leiter achtet darauf, dass es kurze Nachfragen bleiben und keine versteckten Lösungshinweise auf die Bühne kommen („Meinst Du nicht auch…“). Es sollen auch keine Fragen gestellt werden,die das Verhalten der Personen ergründen („Warum“, „Weshalb“)

Der leitende Impuls ist vielmehr:

  • Das verstehe ich noch nicht – da brauch ich noch eine Information…

Diskussion ist hier nicht angebracht! Ratschläge ausdrücklich verboten!

Erweiterung des Fallberichts

um die Verständnisfragen zu klären.

Gruppengespräch (10 min)

Hier können verschiedene Methoden zum Einsatz kommen. Zum Beispiel die

„Ich als… – Runde“

Die Gruppenteilnehmer/innen lassen die beteiligten Personen und „Dinge“ (siehe Moderationskarten!) sprechen: „ich als die (verletzte) Regel empfinde das Verhalten/die Situation als… ich denke mir… ich wünsche mir…“

Durch die hypothetischen Gedanken und Gefühle, die hier zur Sprache kommen, gewinnt die zu beratende Situation ein Mehr an Perspektiven: Es geht weniger um die Realität als um die Wirklichkeitskonstruktionen, die sich im Prozess der Kollegialen Fallberatung zeigen. Der lösende Gedanke dahinter ist, dass mehr Informationen, Ideen, Aspekte die Einengung der Situation auf die Problemsicht aufbrechen und so immer mehr der Lösungsraum geöffnet wird.

Der Fallgeber hört in dieser Phase nur zu, lässt die Aussagen der anderen Gruppenmitglieder auf sich wirken und beobachtet die eigenen Reaktionen darauf. Der Fallgeber ist in dieser Phase der Beobachter der Gruppe – das kann sich auch in der Sitzordnung (Stuhl außerhalb der Kreislinie) zeigen. 

An dieser Stelle gibt es je nach „Schule“ der Kollegialen Beratung unterschiedliche Methoden. Die „Ich als…“-Methode legt eine hohe Einfühlung in alle Beteiligten nahe. Eine Reihe (provokanter) systemischer Fragen öffnet für den Fallgeber den Lösungsraum – durch Perspektivwechsel, Metaperspektive, Wunderfrage etc. Der Leiter der Kollegialen Beratung wählt die passenden Fragen aus.

Reaktion des Fallgebers (5 min)

Der Fallgeber verlässt wieder die Beobachterposition:

Was ist mir von dem was ich gehört habe vertraut, was war mir eher fremd? 

Oft sind gerade die Punkte an denen Widerstand entsteht relevant für das Finden einer Lösung. 

Nachjustieren des Beratungsauftrags: Stimmt das Beratunganliegen, der Auftrag an die Gruppe noch?

Auf der Suche nach Lösungen (10 min)

Jetzt dürfen endlich die Lösungsvorschläge der Gruppe auf die Bühne! Wahrscheinlich sind sie jetzt schon nicht mehr so simpel wie sie beim ersten Hören gewesen wären- und das ist die zweite Stärke des so stark strukturierten Ablaufs der Kollegalen Fallberatung: keine einfachen Ratschläge sondern wirkliche Beratung sind das Ziel!

Die Frage, mit der sich die Gruppe beschäftigt ist: Wenn das so ist – wie kann die Frage des Fallgebers beantwortet werden? 

Die Gruppe entwirft hier möglichst viele und unterschiedliche, spontane Antworten auf die Beratungsanliegen-Frage. Es geht nicht um die Diskussion darüber, welcher Lösungsweg der beste ist, sondern um einen einen Blick in möglichst viele verschiedenen Richtungen. 

Der Fallgeber bekommt einen Ideenpool, aus dem er im nächsten Schritt schöpfen kann und wechselt für diesen Schritt wieder in die Beobachterrolle und hört dem Gespräch der Kollegen zu. 

Der Fallgeber entwickelt einen Handlungsplan (5 min)

Der Fallgeber wägt die Lösungsvorschläge ab und entwickelt eine persönlichen Handlungsplan, seine Antwort auf die Frage seines Beratungsanliegens. Das kann ein klarer, umsetzungsfähiger Plan sein oder auch Ideen, die der Fallgeber mitnimmt und durchdenken wird. 

Aus dem Mehr der Ideen wählt der Fallgeber nach SEINER persönlichen Einschätzung der Situation und seinen individuellen Möglichkeiten das aus, was ihm hilfreich und sinnvoll erscheint.  

Reflexion und Sharing (10 min)

Der Fallgeber gibt Rückmeldung darüber, wie hilfreich die Beratung für ihn war und die Gruppenteilnehmer/innen haben die Möglichkeit, von ihren eigenen Befindlichkeiten und Erfahrungen zu erzählen. Sie können im Sharing von ähnlichen Situationen und ihren Handlungsstrategien berichten: „Was hat mich berührt, was finde ich spannend? Woran hat mich dieser Beratungsprozess erinnert? Was hat mir dieses Beratungsgespräch selbst geholfen?“ Hier hat das „Das hab ich auch schon erlebt!“ seinen guten Platz!

Zum Hintergrund der Kollegialen Beratung

Die Grundmethode der Kollegialen Beratung wurde von Jörg Schlee in den 1980er Jahren als Reflexionsinstrument für pädagogische Berufe entwickelt. Ihre Wurzeln hat sie im Forschungsprogramm Subjektive Theorien, so ist ihr Grundgedanke auch, dass jeder Mensch im Alltag individuelle Theorien über die Welt, die Menschen und sich selbst nutzt („Innere Landkarte“), um seinen Alltag zu verstehen und zu bewältigen. Auf der Basis dieser Glaubenssätze stellt er Hypothesen über die Realität auf: seine Wirklichkeitskonstruktionen. Wenn die eigene subjektive Wirklichkeit und die Realität (bzw. die subjektiven Wirklichkeiten anderer Menschen) zu sehr auseinander driften, wird das meist als „Problem“ erlebt: Etwas ist nicht so, wie ich meine, dass es sein müsste. 

Ziel von Beratung ist es, die subjektiven Theorien, also die Wirklichkeitskonstruktionen, mit der Realität in Einklang zu bringen. 

Einen guten Einblick in die Idee der Subjektiven Theorie bietet Vera Birkenbiehl im Video „Kommunikationsprobleme

Sie möchten Kollegiale Beratung erlernen?

Besonders am Beginn einer Kollegialen Beratungsgruppe kann es sinnvoll sein, einen erfahrenen Berater einzuladen, der die Struktur der Kollegialen Beratung erlebbar macht, von seiner Methodenkompetenz lernen lässt und der Gruppe den Rahmen gibt, sich sicher und verlässlich in dieser Beratungsstruktur zu erproben.

Dafür stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung!

Schreiben Sie mir: supervision@kellner-rauch.de

Mein Name ist Heike Kellner-Rauch, ich unterstütze als Supervisorin und Berufliche OnlineBeraterin Menschen, die mit Menschen arbeiten dabei, mit Lust und Leidenschaft ihre Arbeit zu gestalten.

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Wie geht eigentlich Kollegiale Beratung?