Dieser Artikel entstand für ein Experiment: Kann ich das was ich offline recht erfolgreich tue auch online? Ja. Ich kann. Und warum sollten diese Texte und Übungen nicht jedem zugänglich sein, wäre doch schade! Hier die vierte Mail: Viel Spaß damit!

Ich gebe es schon zu: Ich bin eigentlich ein sehr korrekter und auf Struktur angewiesener Mensch. Ich mag es, wenn Dinge ihre Ordnung haben und Sachen nach Plan laufen. Ich mag es, wenn Bilder gerade hängen und Blumenvasen in der Mitte des quadratischen Tisches. Mich macht es nervös, wenn ich am Morgen nicht weiß, was ich den Tag über tun werde. Glaub man nicht, wenn man mich kennt. Ist aber wirklich so.

Das gibt mir Sicherheit, verhindert den Kopf-Stress und gibt mir Freiheit.

Eigentlich. So „von Natur aus“. Aber da hat sich in den letzten Jahren einiges verändert.

Als ich mit dem Trainer-Sein angefangen habe, waren meine Kurse wohl eine ziemliche Zumutung für meine Teilnehmer: Streng geführt, voll mit Inhalt – eigentlich der totale Overkill. Ein sehr wohlmeinendes Feedback hieß da mal: „Sei gnädiger zu Deinen Teilnehmern!“. Das hat mich erst ziemlich ratlos gemacht. Was ist denn daran ungnädig, wenn man sehr gute Arbeit abliefern und den Menschen möglichst viel mitgeben will?

Es ist doch sehr ehrenwert, wenn man seine Arbeit gut machen will.

Ja. Ist es.

Aber: Worum geht es denn eigentlich?

Geht es um das, was die Teilnehmer/innen (oder in der Schule: Die Schüler/innen oder in der Beratung die Klient/innen…) wirklich! brauchen und wollen (und um das, was ich tun kann, dass sie sich immer mehr bewusst werden, was das ist) – oder geht es darum, dass ich zeige, was ich kann und vor lauter (Versagens-)Angst soviel abliefere, dass keiner sagen kann, es würde nicht genügen…

Die Angst, dass das was ich tue, nicht genug ist, nicht genügt, ist Futter für den Inneren Perfektionisten

Und gleichzeitig war die Anfangszeit von „anderland – Supervision & Coaching“ auch sehr schwierig. Ich habe damals ja noch nicht so stark unter meinem Namen: „Heike Kellner-Rauch – Supervision für Menschen, die mit Menschen arbeiten“ agiert, mich ein bisschen hinter die Metaphern und Worthülsen des Coachinggeschäfts zurück gezogen. Ich glaube, ich hab auch da ganz schön viel Angst gehabt, nicht zu genügen, die Anforderungen „des Formats“ nicht erfüllen zu können (und gerade das Format Supervision ist ja nicht sparsam mit dem hohen Anspruch an seine Supervisoren… mir wird heute noch manchmal schwindelig, wenn ich die Lehrbücher in die Hand nehme und so manche Grundlagenartikel lese…).

Ich habe meine Arbeit – und v.a. mich – an diesen Vorgaben gemessen. An dem „so macht man das“.

Und: Ich habe jeden Auftrag angenommen, der sich mir anbot. Auch welche, wo die Rahmenbedingungen sowas von nicht gestimmt haben. Welche, auf die ich überhaupt keine Lust hatte und nur etwas tat, „um ins Geschäft“ zu kommen. Und eigentlich sind diese Kurse gar nicht soooo schlecht gelaufen. Nur: Spaß hatte ich dabei keinen. Das war nicht das, was ich wirklich wollte. Kreuzunglücklich und in meinem Selbstbild voll der Versager (genau: da war sie wieder, die ranzige Milch 🙂

Denn: Ich habe dabei immer wieder mal das Wesentliche den Augen verloren: Die Menschen für die ich arbeite.

Die Menschen, mit denen ich arbeite: Was ist es eigentlich, was die wollen und brauchen?

Davon hatte ich irgendwann mal gehörig genug! Da hat dann jemand in mir mal gehörig auf den Tisch gehauen und laut und deutlich:

Mir reicht’s!

geschrieen.

Oft erzählen Leute ja, dass sie in solchen Situationen krank geworden sind. Ich zum Glück nicht, die Stimme, die da in mir so laut wurde, gehört zu meinem Inneren Oberlehrer.

Und bevor Du Dir jetzt Sorgen machst um mich, weil ich Stimmen höre und so: Brauchst Du nicht. Ich höre öfter mal Stimmen aus meinem Inneren. Ich habe in meinem Inneren Team einige sehr qualifizierte und selbstbewusste Mitarbeiter/innen, die sich gerne recht lebendig in „unser“ Leben einmischen. Da geht es manchmal zu wie in einem Kasperltheater. Und mein Innerer Oberlehrer gehört zu diesem Team: Er ist der, der eigentlich den ganzen Tag im Lehnstuhl sitzt und sich auf den Feierabend freut, weil er sich dann mit ein paar Freunden zum Schafkopfspielen trifft und gemütlich ein Pfeifchen schmaucht. Wenn man so will, ist er der Ruhepol in mir, der ziemlich klug ist (ja… manchmal auch ein bisschen besserwisserisch… Oberlehrer halt…) und sich alles so anschaut, was ich so treibe und sich so seine Gedanken dazu macht…

Ein sehr kluger und wohlwollender Teil von mir hatte keine Lust mehr auf diese Art zu arbeiten. Um jeden Preis gut dastehen wollen und einem Ideal von „NLP-Trainer“ und Supervisor hinterher hecheln. Das macht keinen Sinn.

Heute weiß ich: Die Menschen, mit denen ich arbeite, brauchen nicht das, was in den Lehrbüchern steht. Die sind nämlich alle so schlau, dass sie selbst lesen können und sich die unzählige Ratgeberliteratur bei medimops für billiges Geld kaufen können. Weder in der Pastoral, noch in der Pädaogogik, noch in Supervision & Coaching – noch nichtmal im NLP-Training – brauchen Menschen, schlaue Ratschläge und Unmengen von Input.

Menschen brauchen Menschen.

Menschen brauchen Beziehung. Sie brauchen ein Gegenüber, das ihnen Raum gibt und Anerkennung. Ein Gegenüber, das sich sehen lässt – das sich selbst als die zeigt, die sie ist.

Die Menschen brauchen mich.

In meinem Unperfektsein (wenn man perfekt sein am ‚State of the Art‘ messen will), mit meinem Humor, mit meiner Ruhe, manchmal etwas kompliziert und ausschweifend und oft sehr klar und direkt – und sie brauchen mich ganz besonders in meiner Lust und Leidenschaft, in meiner ganz eigenen Art der Lebendigkeit.

Gelernt habe ich das von Menschen, die genau so arbeiten. Die sich mir in all ihrer Schrägheit und Eigenwilligkeit – in ihrer perfekten Unperfektheit – zumuten. Die mich damit provozieren und gefördert haben. Und die mich eben gelehrt haben, dass ich genüge und ich mich den Menschen genau so zumuten darf, vielleicht sogar muss.

Gebündelt hat sich das für mich in der archetypischen Figur des Magiers und darin in der Energie des Clowns.

Wenn Du Dir dieses wunderbare Gitarrensolo von Charly Rivel anschaust, ahnst Du wahrscheinlich, was ich meine.

Der Clown kann gar nicht anders, als Erfolg zu haben. Er tut das, was er will – auf genau seine Weise. Da gibt es kein Scheitern, da gibt es kein „nicht genügen“: Das ist perfekt!

Da braucht es eine gefühlte Ewigkeit, bis es der Clown geschafft hat, sich auf seinen Stuhl zu setzen,  der Mut, grauenvoll zu singen ist gar kein Mut: Das ist echt so. Echte Überzeugung. Echte Authentizität. Und: Wenn ihm etwas weh tut, dann drückt er das auch aus. Ein Clown vollbringt nicht die Heldentat, den Schmerz und die Kränkung in sich hinein zu fressen und als ein Star da zu stehen: Ist er traurig, dann weint er. Wenn etwas freut, dann lacht er.

So simpel ist das:

Nimm wahr, was es wahrzunehmen gibt und drück aus, was Du in Dir spürst.

Und keiner findet den Clown blöd. Die Clownenergie ist ansteckend: Sie ermöglicht es Anderen, auch so zu sein: Echt. Ehrlich. Energievoll.

Daran muss ich mich allerdings immer wieder mal erinnern – und an den Tagen, an denen  ich mir damit besonders schwer tue, setz ich mir am Morgen eine rote Nase ins Gesicht. Und manchmal nehme ich sie auch in der Jackentasche mit.

Mir ist noch kein Mensch begegnet, der nicht auf der Stelle seine Gestresstheit und Angepisstheit vergessen hätte, wenn ich so vor ihm stehe. Das ist schräg? Ja. Ist es. Und das ist gut so.

 

Wie geht’s Dir mit diesem Gedanken: Die Menschen brauchen Dich, genau so eigenwillig und besonders und vielfältig und vielleicht auch manchmal schräg, wie Du halt bist?

 

In dieser Mail ging es – wie nebenbei – um das Innere Team. Um den Inneren Perfektionisten und den Inneren Clown, über meinen Oberlehrer. Du kannst gerne den NLP-Basis-Artikel auf www.nlp-bamberg.de dazu lesen.

Wenn Du magst, probiere folgende Übung aus:

Nimm Dir ein großes Blatt Papier und einige Stifte.

Denke an die vergangenen Tage, an das was Du erlebt hast. An welcher Situation hängst Du innerlich noch? Wenn Du da eine „Innere Stimme“ gehört hättest, was hätte sie zu Dir gesagt? In welcher Stimmlage, in welcher Lautstärke? Oder: Welche Innere Stimme hörst Du zu dieser Situation jetzt gerade im Moment?

Zeichne mit schnellen Strichen diesen Teil Deines Inneren Teams und spendiere ihm eine Sprechblase.

Und jetzt schau genauer hin: Wie schaut dieser Teil von Dir aus? Welche Figur passt zu diesem Anteil (das kann von Superman über Pippi Langstrumpf bis zur Hexe aus Hänsel und Gretel reichen)? Welche Farben gehören zu diesem Inneren Anteil?

Wer aus Deinem Inneren Team ist da noch dabei in dieser Situation? Hast Du eigentlich auch sowas wie einen Inneren Clown? Wer ist da dabei – und wer noch?

Ergänze Deine Zeichnung. Dafür kannst Du Dir ruhig Zeit lassen, das darf über Stunden und Tage reifen.

Und wenn Du Dir das so anschaust und Dir bewusst wird, dass jeder dieser Teile, Dir etwas Gutes will – was kannst Du dann in Dir wahrnehmen? Wo in Deinem Körper spürst Du die größte Veränderung?

Gib dem Bild, das da entstanden ist einen guten Ort – oder sei kreativ und bring Dein Inneres Team in die Welt… Man kann z.B. aus dem Blatt auch ein Papierschiff falten und es auf den Fluss setzen…

Was fällt Dir dazu ein?

Die nächste Mail ist ja schon die Abschlussmail dieses Experiments. Und ich habe heute nur eine Bitte an Dich: Magst Du, heute oder nach der letzten Mail, einen Satz schreiben, wie Du mich und meine Arbeit erlebst? Genau, das soll eine „Kundenstimme“, ein „Testimonial“ werden, dass ich auf meiner Homepage und auf der landingpage für den online-Kurs „Lerne unperfekt sein. Tu’s“ veröffentlichen kann.

 

Es genügt